Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin. Ohne diesen Kopfkäfig fühle ich mich wie neugeboren. Und müde bin ich auch nicht mehr, im Gegenteil: Ich kann nicht genug kriegen von den Wanderungen, die Fadrina mit mir unternimmt. Sie hat gerade Ferien. Ein bisschen schade ist nur, dass ich jetzt nicht mehr mit dem Bus fahren kann. Aber dafür muss ich sie auch mit keinen Fahrgästen teilen, also mit gar niemandem. Denn der Polizist, der so oft bei uns war, scheint auch irgendwie verschwunden zu sein. Mir ist das recht. Jetzt sind wir wieder im Trio: Lumpazi, der Kater, der mir immer das Futter wegfressen will, Fadrina und ich.
Das Beste: Fadrina hat ganz viel Zeit. Und das noch Bessere: Sie zieht mir den Maulkorb nicht mehr an. Beim Tierarzt waren wir auch schon lange nicht mehr. Was genau passiert ist, weiss ich auch nicht mehr. Ich kann mich nur noch erinnern, wie ich auf dem Weg nach Guarda abhaute und den Burschen auf dem Bänkli sitzen sah, den ich aus unserem Dorf kenne. Er hat immer ein Stückchen Cervelat in seiner Hosentasche. Ich freute mich schon auf die Wurst, aber dann kam Fadrina und rief und schimpfte, dass der Bursche davonrannte und ich hinterher.
Ich kann sehr schnell rennen, wenn es sein muss, aber unter uns: Mir war gar nicht klar, weshalb der junge Mann so panisch das Weite suchte. Eigentlich rannte ich vor allem mit, weil ich doch noch auf das Cervelatstückchen hoffte. Dass er vor Fadrina Angst hatte, kam mir wirklich komisch vor. Meine Fadrina ist sehr nett. Also fast immer. Also immer, wenn sie mir nicht das Cervelatstückchen missgönnt, das ich mit dem Maulkorb sowieso nicht gut hätte fressen können.
Auf jeden Fall verlor ich meinen Kumpel aus den Augen und konnte seine Spur nicht wieder aufnehmen. Ich landete im Wartsaal am Bahnhof und das war super. Dort waren nämlich viele Kinder, und alle hatten ein Täschli mit Znüni drin. Sie assen und liessen dabei viele Brösmeli fallen, die ich dummerweise mit dem blöden Käfig auch nicht fressen konnte! Es war kein schöner Tag!
Fadrina weinte beinahe, als sie mich wieder fand, und das verstand ich noch weniger. Es war doch gar nichts passiert? Danach kam ständig Besuch. Der Tierarzt. Der blonde Polizist. Und der andere Polizist. Sie redeten und redeten. Eines Tages nahm Fadrina mich an die Leine und ging mit mir zum grössten Haus im Dorf. Sie schien sehr aufgeregt zu sein. So aufgeregt, dass sie glatt vergass, mir den Maulkorb anzuziehen. Nanu? Sie klingelte und wir wartete. Ich schnupperte. Der Geruch kam mir bekannt vor. Hier wohnte jemand, den ich kannte. Aber wer war das schon wieder?
Fadrina klingelte ein zweites Mal. Endlich öffnete jemand die Tür. Vor uns stand mein Kumpel. Er sah total erschrocken aus und wollte die Tür gleich wieder schliessen, aber Fadrina schob rasch ihren Fuss in den Spalt und begrüsste ihn mit einem freundlichen „Allegra!“ – Ich verstand die Welt nicht mehr. Hatte sie den armen Kerl nicht kürzlich angeschrien? Er blickte uns wortlos an und wagte nicht, mich zu streicheln oder kraulen. Ja, er wagte es nicht einmal, das Cervelathäppchen aus seiner Hosentasche zu holen. Ich spitzte die Ohren. Fadrina entschuldigte sich. Wofür genau, blieb unklar, aber ich hörte Worte wie „unschuldig“, „Verwechslung“ und „exgüsi“.
Mein Kumpel nickte und sah erleichtert aus. Und dann, endlich, bekam ich mein Cervelatsückchen. Auf dem Heimweg erklärte Fadrina mir alles. Sie spricht oft mit mir, wie wenn ich ein Mensch wäre, und vermutlich denkt sie, ich würde nur auf ihren Tonfall achten.
Das ist Quatsch. Ich verstehe nämlich alles. Oder gut, fast alles. Zumindest habe ich begriffen, worum es ging: Die Leckerli, die mir so Bauchschmerzen bereiteten und mich so müde machten, hatte nicht mein Kumpel verteilt. Sondern die Tochter von der Frau, der ich ursprünglich gehört hatte und die in die Reha-Klinik vereiste, ohne sich um mich zu kümmern.
Dummerweise hatte sie ihrer erwachsenen Tochter immer von mir erzählt und dass sie sich freuen könne. Nun kam die Tochter aus dem Ausland zurück und fand keinen Hund vor. Aus lauter Frust und Ärger und Eifersucht auf Fadrina wollte sie mich erst betäuben und dann mitnehmen. Der Plan ging ja gründlich in die Hose.
Die junge Frau kriegte es mit der Polizei zu tun. Keine Ahnung, wo sie jetzt ist, aber nicht mehr im Dorf. Sonst hätte Fadrina den Maulkorb nämlich nicht weggeworfen. Ja, das hat sie tatsächlich! Nicht einfach versorgt, sondern in den Kübel geschmissen.
Und jetzt bade ich glücklich im Lai Nair, und der Maulkorb kommt mir vor wie ein böser Traum. Aber viel lieber träume ich von Cervelats.
So schön beginnt der Sommer für Fadrina und Fippo. Ob die Ruhe anhalten wird? Wer Fippo kennt, weiss: Sein nächstes Abenteuer kann nicht allzu weit weg sein. Was passieren wird? Das erfahren Sie bald an dieser Stelle. Auf Wiederlesen!
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