Fadrina steigt aus dem Postauto, schliesst es ab und verlässt das Depot. Sie kneift die Augen zusammen, so sehr blendet die Sonne. Auf den Hausdächern liegt noch Schnee, doch ein frühlingshafter Wind fegt ihr durchs Haar. Krokusse blühen, Osterglocken, erste Tulpen. Fadrina seufzt. Sie bringt das Bild nicht aus dem Kopf, wie Fippo durch den Tiefschnee flüchtete, fort von ihr, vor allem aber fort von der Polizei. Seit dem Neujahrsmorgen hat sie ihn nicht mehr gesehen.
"Fippo? Ja, ich erinnere mich. Der ist am Neujahrstag mit mir zum Bahnhof Scuol gefahren“, sagte ihr Kollege Mario und lachte. "Das Reisefüdli wollte etwas von der Welt sehen.“
"Fippo? Der kommt wieder, mach dir keine Sorgen!“ Senta, ihre Vertraute im kleinen Unterengadiner Dorf, wo Fadrina seit dem Tod ihrer Nana wohnt, drückte sie an sich und erzählte dann von ihrem Kater Kennedy, der einmal für sieben Monate verschwunden war und eines Tages einfach wieder vor der Haustüre stand, zerzaust und ausgehungert, aber wohlauf.
Sieben Monate! Fadrina schluckt, wenn sie an Sentas Worte denkt. Sieben Monate! Ihr reichten schon diese bald vier Monate. So lange hat sich Fippo nicht mehr blicken lassen. Dafür die Polizisten. Vor allem der Junge, wortkarge. Eines Tages stand er plötzlich wieder vor ihrer Tür.
"Frau Schmid, wir müssen regelmässig überprüfen, ob Fippo nicht wieder bei Ihnen aufgekreuzt ist, das verstehen Sie doch. Er gilt als vermisst, und seine rechtsmässige Besitzerin sucht ihn.“ Rechtsmässige Besitzerin! Die Worte galpoppierten durch Fadrinas Hirn. Rechtsmässig, bah. "Er hat mich als Besitzerin ausgesucht“, gab sie zurück. "Und hätten Sie ihn nicht aufgescheucht, wäre er noch immer hier.“
Der Blonde schaute sie lange an. Ihr fielen seine langen, geschwungenen Wimpern auf. Sie erwiderte seinen Blick, öffnete die Haustür weit, deutete einen Knicks an: "Bitte sehr, immer rein in die gute Stube.“ Er liess sich nicht anmerken, ob er die Ironie erkannte. Stapfte ins Haus, in die Küche, in die Stube, in Fadrinas Zimmer, sogar ins Bad. "Wollen Sie nicht noch sämtliche Schränke kontrollieren?“. Er zog die Augenbrauen hoch, ganz leicht nur. "Ich mache das hier nicht aus Spass.“ – "Aha.“ – "Es ist mein Job. A revair.“
Beim zweiten Mal liess sie ihn wortlos hinein. Er drehte seine Runde durchs Haus, nickte ihr zu und trollte sich. Beim dritten Mal blieb er eine ganze Weile in ihrer niedrigen Stube vor der Verandatür stehen, schaute hinaus in den Schnee. "Und Sie haben wirklich nichts von Fippo gehört?“ – „Leider nein.“
Beim dritten Mal verzichtete er auf den Rundgang. "Schon gut. Ich glaube Ihnen.“
Beim vierten Mal bot sie ihm von Sentas selbstgemachten Röteli an. Er schüttelte den Kopf. "Nicht im Dienst.“ In seiner tiefen Stimme konnte sie ein Bedauern ausmachen. Sie goss sich selber ein kleines Schlückchen ein, ins Kristallglas ihrer Nana. Die Gläser hatte sie mit dem Häuschen geerbt. "Viva la Cumpania“, sagte sie feierlich und prostete ihm zu. Riet Meier verzog seinen Mund zu einem Grinsen. Das erste Mal, seit sie ihn kannte. "Dann können Sie jetzt Ihrem Kollegen Caviezel Rapport erstatten“, rief sie ihm hinterher, als er mit zügigen Schritten den Gartenweg entlang schritt. Er hielt inne und warf ihr einen Blick zu, der neu war und anders und den sie nicht einordnen konnte.
Am nächsten Tag tauchte Gian Caviezel bei ihr auf. "Allegra! Frau Schmid, in der Sache Fippo kommen wir keinen Millimeter weiter. Seine Besitzerin ist mit den Nerven am Ende. Wenn Sie also doch etwas wissen, irgendetwas – bitte sagen Sie es uns. Auch im Interesse des Hundes. Bun di!“ Bevor sie "irgendetwas“ sagen konnte, hatte er schon auf dem Absatz kehrtgemacht und war verschwunden.
Zwei Minuten später klingelte es wieder. Fadrina riss genervt die Tür auf. "Haben Sie etwa die Hausdurchsuchung vergessen?“ Senta zuckte zusammen. "Was habe ich vergessen?“ – "Ach, du bist es!“ – "Fadrina, sie suchen Fippo!“ – "Ich weiss!“ – "Nai, nicht die Polizei! Zwei Mädchen!“ Senta kramte in ihrer verbeulten Ledertasche und förderte ein zerknautschtes Papier zutage. "Hier! Gieri war gestern mit dem Zug in Zürich. Das hing am Fenster in seinem Abteil.“ Verblüfft starrte Fadrina auf den Zettel. Sie erkannte ein unscharfes Bild von Fippo, aufgenommen in einem Zugabteil. Der Text war in grossen roten Buchstaben gehalten und erinnerte an einen Erpresserbrief:
Wer hat unseren Hund gesehen? Er entwischte am Bahnhof Landquart.
Wir sind dankbar um jeden Hinweis. Elisa und Leni.
Das Foto zeigte zwei Jugendliche, eine Dunkle und eine Dunkelblonde mit langen Haaren.
Sentas lautes Schnaufen holte Fadrina zurück. "Verstehst du das? Fippo gehörte dem alten Clalüna und nachher dir. Kennst du die beiden?“ Fadrina schüttelte den Kopf. Sie versuchte, das Gehörte zu verstehen. Erst die Dame aus dem Bergell, die angab, Fippos Besitzerin zu sein. Und nun noch diese beiden Mädchen. Sie wählte die Nummer neben dem Foto. Die Combox sprang an. Fadrina beendete den Anruf.
Als sie Elisa schliesslich erreichte, dauerte es nur drei Minuten, bis die Wahrheit ans Licht kam. Dass die Mädchen Fippo im Zug entdeckt hatten. Und adoptieren wollten. Und Fippo weg war, ehe es dazu kommen konnte.
Seither ist mehr als ein Quartal vergangen und der meiste Schnee. Niemand scheint Fippo gesehen zu haben, zumindest das konnte Elisa ihr am Telefon sagen. Niemand scheint etwas von ihm gehört zu haben.
"Nimm doch einen anderen Hund, die Tierheime sind voll!“, sagte Mario.
"Du musst ihn vergessen!“, sagte Senta.
Fadrina will weder einen anderen Hund noch vergessen.
Sie will Fippo.
Als sie zu ihrem Häuschen kommt, steht die Gartentüre offen. Sie schaut sich um. Komisch. Sie schliesst das Türchen immer. Vielleicht hat der Pöstler ein Paket abgestellt. Aber vor der Haustür steht kein Paket. Da steht Riet Meier. "Ich habe Neuigkeiten“, ruft er ihr zu und sieht dabei finster aus...
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