„Meine Fadrina ist meistens ganz cool. Aber seit einigen Stunden tut sie total geschäftig. Sie bringt immer neue Dinge in die Stube und weckt mich dabei jedes Mal aus dem Mittagsschlaf: Kissen, Decken, Schlafsäcke und sogar Teller! Werden wir umziehen?
Darauf hätte ich nun überhaupt keine Lust, schliesslich bin ich in den vergangenen Monaten genug herumgereist. Solange sie nicht nach der Leine greift, ist wohl alles im grünen Bereich. Ich döse also noch ein bisschen weiter, genau wie Lumpazi, der wie immer oben auf dem Schrank sitzt und so laut schnurrt, als hätte er eine Motorsäge eingebaut. Schneeweisschen, Lumpazis Freundin, schlummert dicht an mich gedrängt, so dicht, dass ich ihr flauschiges Fell fühlen kann.
Ein bisschen vermisse ich die Katzenkinder der beiden, es war so lustig mit ihnen. „Ich kann doch nicht eine ganze Katzenfamilie behalten!“, hatte Fadrina gerufen und Plätze für alle gesucht – und gefunden. Seither ist es hier stiller geworden. Bis heute Nachmittag, als Fadrina begonnen hatte, Dinge zu holen, sortieren und in Taschen zu packen. In letzter Zeit hatte sie Riet gegenüber – das ist ihr Freund, der blonde Polizist – immer wieder das Wort „Ferien“ erwähnt, ich habe keine Ahnung, was damit gemeint ist.
Im Halbschlaf höre ich, wie ein Auto vor dem Haus hält. Ich belle nicht, denn ich erkenne den Motor. Es ist Riet. Kein Grund, die Augen schon wieder zu öffnen. Aber meine Ohren sind gespitzt. Ich höre, wie Riet etwas sagt, das wie „Zelt“ klingt. Kurz darauf kommt er herein, ruft „Na, ihr Faulpelze!“ in die Stube und hilft Fadrina, die unzähligen Dinge nach draussen zu bringen. Anscheinend werden die alle ins Auto verladen. Ich auch? Ich blinzle unauffällig durch die Wimpern.
Und dann ist es so weit. Fadrina steht mit der Leine vor mir und sagt die berühmten zwei Worte: „Komm, Fippo!“ – Die Nachmittagsschummrigkeit ist wie weggeblasen. Jetzt gibt es Action! Nur: Welche? Ich schiesse so schnell hoch, dass Schneeweisschen vor Schreck zur Seite purzelt. Sie schaut einen Moment lang irritiert, rollt sich dann wieder zusammen. Lumpazi schnurrt ungerührt vom Kasten hinunter. Was ist mit den beiden? Ich bleibe kurz stehen, aber Fadrina mahnt zum Aufbruch: „Fippo komm, die zwei bleiben hier.“
Im Auto ist es ganz schön eng. Meine Box muss ich mit einigen Taschen teilen. Ich mache mich auf eine lange Fahrt gefasst. „Es ist eine ganz kurze Fahrt“, verspricht Fadrina, doch das sagt sie fast immer, und ich weiss nicht, ob ich es ihr glauben kann.
Diesmal aber stimmt es. Riet hält schon bald an. Wir sind auf der Anhöhe. Als Fadrina und Riet die tausend Dinge vom Auto auf die Wiese schleppen, nutze ich meine Chance und haue kurz ab, um den Platz zu inspizieren und an so vielen Bäumen wie möglich eine Nachricht zu hinterlassen. Als ich schliesslich Fadrinas „Fippo, hier!“ befolge, sehe ich Riet und Fadrina vor einem herzigen gelben Haus stehen. Wohnen wir jetzt hier? „Das ist unser Zelt!“, sagt Fadrina und lässt mich herein. Auf dem Boden liegen Decken und Kissen – und sogar mein Lieblingsteppich. „Hier schlafen wir!“, ruft Riet.
Das gefällt mir. Weiter hinten sind noch mehr Zelte. Als es dunkel wird, macht Fadrina ein Feuer und es gibt Würste für alle, auch für mich. Schöne Ferien sind das. Wir gehen zu einem Bach in der Nähe und durch den Waldweg, und als die Sterne zu funkeln beginnen und der Mond zu leuchten beginnt, legen wir uns ins Zelt und schauen durch den Spalt in den Himmel.
Eigentlich bin ich müde, aber einschlafen kann ich trotzdem nicht. Das liegt an den Geräuschen. Es knackt und knistert die ganze Zeit. Fadrina ist auch nervös, ich merke es. „Da kommt jemand zu unserem Zelt“, wispert sie aufgeregt. „Quatsch, das war ein Ast“, erwidert Riet. „Aber jetzt! Hörst du das Schnauben? Da sind wilde Tiere draussen!“
„Wildschweine vielleicht, doch die interessieren sich bestimmt nicht für unser Zelt.“
Wildschweine? Ich richte mich kerzengerade auf und schnüffle. Mein Jagdinstinkt erwacht. Wildschweine! Hm! Wie gross die wohl sein mögen? Ob ich so eines erwischen könnte? Ich kann mich nicht erinnern, je eines gesehen zu haben. Diskret linse ich um die Ecke und sehe – Dunkelheit.
„Schluss jetzt!“, befiehlt Riet mit seiner Polizistenstimme, „es ist schon Mitternacht. Nun wird geschlafen!“ – Er löscht das Feuerchen und schliesst den Reissverschluss. Kurze Zeit herrscht Stille. Dann ist wieder ein Geräusch zu vernehmen. Als würde jemand direkt vor unserem Zelteingang spazieren. Ich schnüffle. Hm. Diesen Geruch kenne ich nicht. Ich schnüffle heftiger.
„Fippo, aus!“, zischt Riet, dabei habe ich gar nichts in der Schnauze. Er kriecht fluchend aus seinem Schlafsack. „Meine Güte, dann schauen wir halt nach.“ Es ratscht, als er den Reisverschluss hochzieht, ich zwänge mich zwischen seinen Armen ins Freie, stürze mich mit der Nase voran aufs Gras und jaule im gleichen Moment auf. Autsch! Riet lacht und kann nicht mehr aufhören. „Was ist los?“, ruft Fadrina schlaftrunken aus dem Zelt. „Ein Igel! Fippo hat seine Schnauze mitten in einen Igel gesteckt.“ – Es tut ziemlich weh. Sofort ist Fadrina bei mir. „Zeig mal, du dummer frecher Hund“, meint sie, aber ihre Stimme ist lieb und nett. „Oh, du blutest ja.“ Sie nimmt ein Stück Haushaltspapier, tränkt es mit Wasser aus der Feldflasche und betupft meine Nase.
„Ja, das hast du nun davon“, ist alles, was Riet zu dem Ganzen zu sagen hat. Er und Fadrina verschwinden wieder in ihren Schlafsäcken, ich lasse mich auf den Teppich plumpsen. Nun ist es wirklich, wirklich still. Ich drifte in einen Traum mit vielen Igeln. Es sind alles die Kinder von Schneeweisschen. Merkwürdig. Ich kann Schneeweisschen im Traum riechen. Überdeutlich. Sie ist ganz nah. Sie ist direkt neben mir.
Im Halbschlaf realisiere ich, wie meine Nase bebt. Ich rieche Schneeweisschen. Das ist gar kein Traum! Das ist echt! Da! Etwas bewegt sich am Zeltstoff, auf der anderen Seite. Mit einem Satz bin ich dort. Nun gibt es keine Zweifel mehr. Dort draussen ist Schneeweisschen. Sie muss uns gefunden habe. Ich winsle, ich belle, damit sie weiss, dass ich da bin.
„Pssst, gopfertori, Fippo, Ruhe!“, zischt Fadrina, aber ich habe kein bisschen vor, zu gehorchen und lege noch einen Zacken zu. „Du weckst den ganzen Zeltplatz“, knurrt Riet, „was ist denn jetzt schon wieder?“ – Grantig arbeitet er sich Richtung Eingang, öffnet ihn – und wer spaziert seelenruhig in unser Zelt?
„Schneeweisschen!“, ruft Fadrina verblüfft. „Aber wie ...?“ – Riet stoppt mitten im Satz, so überrascht ist er. Von Schlafen keine Spur! Ich lasse mich vor dem Zelt auf den Boden fallen, Riet zündet das Feuer nochmals an, Schneeweisschen schmiegt sich an mich und lässt sich von Fadrina mit einem kalt gewordenen Cervelat füttern. Ich kann es noch immer nicht fassen. Wie klug kann so eine Katze sein? „Fehlt nur noch, dass Lumpazi auftaucht!“, flüstert Riet und Fadrina kichert.
Ich bleibe noch eine Weile mit Schneeweisschen draussen, als Riet und Fadrina bereits wieder im Zelt liegen. Später, sehr viel später, der Himmel wird schon fast wieder hell, gehe ich auch zurück auf meinen Teppich. Das Feuer ist aus. Das Zelt ist offen. Kurze Zeit später tapsen kleine Pfoten heran, und ich spüre ein flauschiges Fell an meiner Flanke, ein zufriedenes Schnurren dringt an mein Ohr. Von draussen ist kein Laut mehr zu hören, die Wildschweine sind abgezogen. Mit einem Seufzer lasse ich mich in den nächsten Traum fallen, und dieses Mal kommen keine Igel vor.“
Und welches Abenteuer wird Fippo das nächste Mal erleben? Sicher ist: Langweilig wird es mit ihm nie. Auf Wiederlesen!
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