„Also zuerst musste ich mich schon ein wenig an das Gewusel gewöhnen! Und das Gewusel war noch nicht alles: Dass diese Hundebabys ständig Lulu belagerten, passte mir ehrlich gesagt auch nicht in den Kram. Lulu hatte immer nur Augen für die Kleinen. Ich hatte immer nur Augen für Lulu. Sie ist die schönste, bestriechende, wundervollste Hundemutter der Welt.
Eines der Kleinen sieht tupfgenau aus wie die Mama. Das Zweite gleicht mehr mir, hat aber eine schwarze Brust. Fadrina nennt es „Filu“. Mit Fadrina ist es auch nicht mehr so wie früher. Wir sitzen viel seltener zusammen in der Stube, aber immerhin darf ich fast jeden Tag im Postauto mitfahren. Danach besuchen wir manchmal Lulu und die Jungen.
Dabei reden Fadrina und Lulus Besitzerin über viele Dinge, und ich beschnuppere meine Lulu und lecke meine Kinder. Sie haben schon die Augen geöffnet und gucken mich ganz erstaunt an. Filu versucht immer, mich mit seinen spitzen Zähnchen in die Nase zu beissen, dann muss ich streng werden und ein wenig knurren. Die kleine Schwarze hingegen ist ganz sanft und fiept vor sich hin. Und sie ist wunderschön! Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas Zauberhaftes zustande bringen könnte! Wenn Filu und die kleine Schwarze bei der Mama saugen, werfen Lulu und ich uns ganz verliebte Blicke zu.
Unter uns: Ich kann es kaum erwarten, wieder mit Lulu durch den Wald zu streifen und über die Felder zu rennen! Irgendwann sind dann die Kleinen gross genug, dass sie nicht immer an ihrer Mutter kleben müssen, oder?
An einem schönen Vorfrühlingstag ist es soweit. „Komm, wir gehen zu Lulu“, sagt Fadrina, als sie das Postauto abstellt. Ich springe vor lauter Begeisterung wie ein Hase in ihr Auto und schaue die ganze Zeit aus dem Fenster. Bald schon aber wundere ich mich. Merkwürdig. Fadrina nimmt eine andere Strecke als sonst. Diese Strasse führt nämlich gar nicht zu Lulu. Wir fahren aus dem Dorf, an den Waldrand und dann hinauf auf den Hügel. Mein Herz klopft. Ich kenne den Hügel. Genau dort haben wir uns kennengelernt, Lulu und ich! Vor Aufregung belle ich laut, obwohl ich genau weiss, dass Fadrina das überhaupt nicht mag. Aber wie soll ich mich sonst vorfreuen?
Fadrina parkiert am Waldrand, und da sehe ich sie! Meine Lulu! Sie schnüffelt an ihrer Lieblingswurzel, genau wie damals, bei unserem ersten Date. Ich sehe die Frau, die Fadrina „Rona“ nennt – und meine Kinder sind auch da. Aber nicht nur die – noch ein anderes, weisses Hundeskind, das sich von der kleinen Schwarzen beschnüffeln lässt.
Als ich aus der Hundebox springe, schlägt Lulu einen Haken und rennt davon. Es ist ihre Art zu sagen: Komm, lass uns Fangen spielen. Ich lasse mich nicht zweimal bitten und hechte ihr nach. Gerade als ich sie fast eingeholt habe, macht sie stinkfrech rechtsumkehrt. Na, warte! Ich drehe ebenfalls und überhole sie mit links. Ganz so fit wie vor der Geburt scheint sie nicht mehr zu sein, aber ordentlich schnell. Plötzlich bleibt sie stehen und ich kann mich ihr endlich wieder einmal nähern, ohne dass die beiden Wilden mit ihren messerscharfen Zähnchen zwischen uns Rambazamba machen. Was hat sie mir gefehlt!
Kaum haben wir eine Runde geschnuppert, geht es wieder los und wir jagen über die Wiese. Aus der Ferne höre ich die Welpen fiepen, aber die können einen Moment warten, ich musste schliesslich auch warten, bis ich wieder an der Reihe war. Ein Pfiff dringt an mein Ohr. Menno, ausgerechnet jetzt. Ich schiele in Fadrinas Richtung, und prompt: Sie steckt die Finger in den Mund und pfeift mich zu ihr. Soll ich ... – Lulu steht genau neben mir und guckt auffordernd. In ihren Augen lese ich List und eine verlockende Botschaft: Komm, Fippo, eine kleine Runde noch, Fadrina soll nicht so ungeduldig tun.
Lulu schüttelt neckisch den Kopf und ich bin versucht, ihr zu folgen. Doch da dringt der dritte Pfiff an mein Ohr. Selbst aus der Distanz kann ich Fadrinas grimmiges Gesicht erkennen. Wenn ich heute noch ein Leckerli möchte, sollte ich wohl besser hin. Ich werfe Lulu einen bedauernden Blick zu und trolle mich.
In diesem Moment zeigt sich, was wahre Liebe ist: Lulu folgt mir auf dem Fuss. Rona hätte gar nicht erst „Lulu, zu mir!“, schmettern müssen. Das Leckerli bekomme ich doch noch, obwohl Fadrina und diese Rona ziemlich aufgeregt und laut sprechen. Lulu beugt sich sofort zu ihren Welpen, die im Gras neben den letzten Schneefeldern spielen. Sie leckt sogar den weissen Hundebub ab, obwohl der gar nicht zu uns gehört.
„Er wäre in Griechenland erfroren und verhungert, da habe ich ihn halt auch noch aufgenommen. Ob ein Hundekind mehr oder weniger macht den Braten nicht fett“, sagt Rona gerade zu Fadrina. Jetzt verstehe ich erst, was der kleine Kerl hier zu suchen hat! – Ohne Fadrina wäre ich vermutlich auch verhungert und erfroren, schiesst es mir durch den Kopf. Oder im Tierheim gelandet. Und hätte mich Marcel nicht aufgenommen, damals, auf meiner Irrfahrt durch die Schweiz, gäbe es mich vielleicht gar nicht mehr.
Ein Seufzer entfährt mir. Lulu schaut überrascht. Fadrina tätschelt meine Brust. Rona lacht. „Typisch Mann. Nichts mit der Aufzucht zu tun, aber schon müde!“ – Ich verstehe nicht, was sie meint, aber es klingt in keiner Weise schmeichelhaft.
„Schluss für heute!“, ruft Rona. Das verstehe ich. Sie geht voraus, Lulu und alle drei Welpen folgen ihr, ich mache die Nachhut und versuche, zwischendurch diskret an Lulu zu schnuppern. Wer weiss, wann ich das nächste Mal wieder Gelegenheit dazu haben werde? Als Lulu und die Hundekinder in der Box verschwinden, versuche ich mich ebenfalls in den Kofferraum zu zwängen. „Nein, Fippo, du kommst mit mir“, sagt Fadrina. Ja, versteht sie denn nicht, dass ich nun zu Lulu gehöre?
„Morgen ist das Wetter immer noch gut. Gleicher Ort, gleiche Zeit?“, fragt Rona, und durch die Gitterstäbe der Box zwinkert Lulu mir zu.
„Alles klar. Bis morgen!“, ruft Fadrina. Auf der kurzen Heimfahrt nicke ich ein und träume von hundert Hundekindern – sie sind weiss, haben ein Gesicht wie Lulu und einen buschigen Schwanz wie ich.
Wie geht es weiter mit Fippos kleiner Familie und dem adoptierten Welpen? – Die Fortsetzung folgt, wie immer, hier. Auf Wiederlesen!
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