Teil 11 - Der blonde Feind

Wissen Sie, was für mich das Allerschönste ist? Dass es wieder nach Fadrina riecht! Gerade liege ich auf dem dicken Wollteppich in der Stube, und ihr Geruch schwebt überall im Raum. Ich hebe die Nase an und schnuppere und inhaliere ihn tief. Fadrina! Ich würde sie aus 1000 anderen Düften herausriechen können, oder gut, vielleicht aus 500. Auch Lumpazi, der Kater, scheint sich zu freuen. Er hat sich richtig an mich herangedrückt und schnurrt in einer Lautstärke, als gäbe es in seinem Bauch einen Motor. Einen Moment lang denke ich an Bodensurri. Schade, dass er nicht bleiben konnte. Er ist mit Marcel zurückgekehrt und heckt bestimmt in diesem Moment allerlei Dummheiten aus. Würde mich nicht wundern, wenn er im grossen Futterlager heute schon wieder ein paar Leckerchen stibitzt hätte.

Beim Gedanken an Marcels Leckerli hebe ich die Nase und schnuppere. Bis gestern noch roch es hier nach beissendem Rauch. Ich muss jetzt noch husten, wenn ich daran denke. War das eine Aufregung bei meiner Ankunft! Während Fadrina und ich unser Wiedersehen feierten, begann es in der Küche zu brennen und wir bemerkten es nicht einmal – ich hatte die Schnauze zu tief in ihren Haaren und sie ihre Nase zu tief in meinem struppigen Fell. Wäre dann nicht Marcel hereingerannt und hätte laut «Hier brennt es!», geschrien: Wer weiss, was noch geschehen wäre. Bevor Fadrina und ich richtig begriffen hatten, was überhaupt los ist, schnappte sich Marcel die Pfanne voller Polenta vom Herd und warf sie auf die Flammen, die Hälfte schwappte auf den Boden und ich durfte alles fressen. «Schönes Begrüssungsmenü, es fehlt nur das Fleisch», dachte ich und ging erst nur unwillig zur Seite, als Fadrina einen ganzen Eimer Wasser auf den Herd schüttete. Danach verzog ich mich freiwillig aus der Küche, der Rauch war kaum auszuhalten.

Können Sie sich vorstellen, wie glücklich ich war, auf meiner alten Decke auf Fadrinas Sofa zu liegen? Zwar hatte ich noch den halben Rhein im Fell und den Rauch in der Nase, aber ich fühlte mich wie am Ziel einer langen Reise und schwor mir, nie, nie mehr von Fadrina wegzurennen, egal, wie viele Polizisten vor der Haustüre stehen würden. Leider hat es dann doch nicht so gut geklappt mit dem Schwur, doch dazu später.

«Fippo, kommst du?». Sofort schiesse ich hoch, anscheinend war ich kurz eingedöst. «Heute habe ich Spätschicht», sagt Fadrina. Ich sehe, dass sie ihre Postauto-Uniform trägt und tänzle ungeduldig um sie herum. Busfahren liebe ich noch mehr als Spaziergänge. Als ich mich wie gewohnt im hinteren Teil des Postautos auf den Boden plumpsen lasse, geht ein grosses Hallo los. Senta und Gieri, die fast so oft mitfahren wie ich, können es kaum fassen: «Fippo, bisch wider do! Gell, im Engadin isch’s halt am Schönschta!» Sie kraulen und streicheln mich und Senta steckt mir heimlich ein Mailänderli zu, ich glaube, sie bäckt das ganze Jahr hindurch. Aber vielleicht ist auch schon bald Weihnachten, die Bergspitzen sind schon ganz weiss, und meine Pfoten mussten sich erst auch wieder an den Schnee gewöhnen.

Heute gibt es nicht viele Fahrgäste. Wir fahren Kurve um Kurve hoch. Guarda kenne ich, da darf ich immer kurz aussteigen und am Brunnen trinken. Danach lege ich mich wieder auf meinen Platz. Vier Kinder steigen ein, sie kichern und tuscheln und eines bleibt direkt vor mir stehen. Ich blinzle. «Fippo, avanti!», ruft Fadrina vom Steuer durch den Lautsprecher und ich zwänge mich zur Seite und mache Platz. Ich will ja auch keinen Ärger. Kaum zwei Kurven später bin ich schon wieder eingeschlafen.

Plötzlich spüre ich Fadrinas Hand auf mir. «Fipppo, komm, wir sind im Depot.» Ich schlage die Augen auf, es ist schon dunkel. Schlaftrunken wanke ich aus dem Bus und aus dem Depot. Ein eisiger Wind bläst mir an die Nase. Der Boden ist gefroren, um ein Haar wäre ich ausgerutscht. Die ersten Schneeflocken des Winters landen auf meiner Schnauze. Ich springe voraus, schnüffle da und dort, an viele Gerüche aus dem Dorf erinnere ich mich wieder – hier zum Beispiel, das muss Oscar sein, ein kleiner Kerl, der immer das Weite sucht, wenn er mich sieht, dabei bin ich so gutmütig wie ein Teddybär. Oder da, das riecht nach Cocca, die so gerne mit mir herumrennt. In mir macht sich ein richtiges Heimatgefühl breit.

Als wir das Gartentörchen zu Fadrinas Haus öffnen, bremse ich ab. Da steht jemand und will gerade Fadrinas Tür aufschliessen. Ich sehe nur seine schwarze Silhouette im Lichtschein der Aussenlampe, aber das genügt mir. Diese Person ist nicht irgendjemand. Ich erspähe blonde Haare. Und eine Uniform, fast wie Fadrina sie trägt, aber doch anders. Und ich erkenne die Stimme wieder, die sagt: «Ah, wart ihr also schon wieder zusammen auf Bustour?» - Die Stimme klingt freundlich, aber ich lasse mich nicht täuschen. Mein Gedächtnis ist viel zu gut. Das ist der Polizist, und als er das letzte Mal hier war, wollte er mich von Fadrina trennen.

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Einen klitzekleinen Moment schwanke ich. Ich wollte mich nie, nie mehr von Fadrina trennen. Jetzt, wo ich sie endlich wieder gefunden habe. Aber ... wenn ich bleibe, schnappt mich dieser Blonde und bringt mich ins Tierheim oder sonst irgendwohin. «Fippo, was ist los?», fragt Fadrina. Sie erkennt den Mann nicht wieder! Ich muss sie warnen und belle so laut und so lange wie schon lange nicht mehr. «Fippo, was soll das?» Mist, sie versteht es einfach nicht. Ich belle noch mehr. Noch lauter. Ich bin schon fast heiser. Als der Polizist auf uns zukommt, drehe ich um und sprinte wie ein Windhund den Weg zurück aus dem Gartentörchen. Nur weg von hier, nur weg.

Wird Fippo zum zweiten Mal verschwinden – so kurz nach dem Wiedersehen? Kann Fadrina ihn finden, bevor er wieder in Scuol in den Zug einsteigt? Wie es weitergeht, erfahren Sie in einiger Zeit hier. Auf Wiederlesen!

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